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Mythos Spanien - Erinnern in der DDR
Am 7. September 1968 marschieren im Ostberliner Volkspark Friedrichhain Ehrenformationen der nationalen Volksarmee, der DDR Volkspolizei und Kampfgruppen der Betriebe auf. Mit militärischem Zeremoniell wird am Rande des Parks eine Gedenkstätte für deutsche Spanienkämpfer eingeweiht. Die überlebensgroße Figur eines Brigadisten und eine Relieftafel mit Szenen aus dem Bürgerkrieg sollen hier an den Kampf der deutschen Freiwilligen auf Seiten der spanischen Republik gegen Franco erinnern.
 
Ruhm und Ehre den dreitausend deutschen Antifaschisten, gefallen 1936-1939 im Freiheitskampf des spanischen Volkes. Sie kämpften in den Reihen der glorreichen Internationalen Brigaden gegen den spanischen, deutschen und italienischen Faschismus für die Befreiung unserer Heimat vom faschistischen Joch. Ihr Kampf, beseelt von den großen Ideen des proletarischen Internationalismus und wahren Patriotismus, bleibt unvergängliches Vorbild der Jugend unseres sozialistischen Vaterlandes. Ursprünglicher Text der Gedenkplatte des Ehrenmals.1990 wird die erste Tafel bei einem rechtsradikalen Sprengstoffanschlag zerstört. Der geänderte Text der neuen Tafel lautet "Gedenkstätte der deutschen Interbrigadisten. Spanien 1936 - 1939". Nach aktuellen wissenschaftlichen Forschungen lassen sich circa 800 gefallene deutsche Interbrigadisten nachweisen.
 
 
Mit der künstlerischen Gestaltung der Gedenkstätte ist der Vizepräsident der Akademie der Künste, der Bildhauer Fritz Cremer beauftragt worden. Sein aus dem Schützengraben „aufsteigender“ Schwertträger ist ein Rückgriff auf die Skulptur „Der Rächer“ von Ernst Barlach. Während Barlachs Figur das Schwert mit zwei Händen bereit zum Schlag hält, führt der Spanien-kämpfer seine Hiebwaffe verschränkt hinter dem Kopf und ballt die linke Faust vor dem Gesicht. Cremer will keine Siegergestalt darstellen - in einem ursprünglichen Entwurf scheint der Kämpfer von einer Kugel getroffen zu sein und hält die Hand schützend vor dem Gesicht. Mit seiner letztlich in Bronze gegossene Variante, kommt der Künstler den Wünschen der Auftraggeber entgegen. Das DDR Komitee der Spanien Veteranen hat eine aktivere Haltung der Kämpferfigur gefordert.
 
‘Bei dieser Armhaltung kann doch der Kämpfer gar nicht zuschlagen‘, hieß es. Was ich hier beabsichtigte, war, die Bereitschaft beim Betrachter zu wecken, selbst zu kämpfen, nicht ihm Kampf vorzuführen. Ich möchte [...] versuchen, Bewegung zu gestalten, die geistige Bewegung verlangt. Fritz Cremer über Kritik an seinem Denkmal. In: Diether Schmidt. Fritz Cremer. Leben. Werke. Schriften. Meinungen. Dresden 1972.
 
Eine Delegation der nationalen Volksarmee mit der Fahne der Spanischen Republik. In: Horst Kühne. Krieg in Spanien 1936-1939. Ostberlin 1986.  
Zum 50. Jahrestag der Formierung der Internationalen Brigaden 1986 legt Erich Honecker einen Kranz am Denkmal nieder. Die DDR Elite inszeniert den Einsatz der „Antifaschistischen Widerstandskämpfer“ in Spanien als ersten Schritt zur Befreiung Deutschlands vom Faschismus - hin zur Gründung eines sozialistischen Staates auf deutschem Boden. Beim Appell vor dem Denkmal präsentieren Soldaten der nationalen Volksarmee die Fahne der XI. Brigade aus dem Armeemuseum in Dresden. Das DDR Militär knüpft seine Traditionslinien an den „Mythos Spanien“. Vierzig Truppenteile, Kasernen und Schiffe sind nach Spanienkämpfern benannt worden.
 
Wir deutschen Antifaschisten gingen nach Spanien nicht als Söldner und Legionäre, sondern als Alibi des ‚anderen Deutschland'. Der Kampf gegen Franco war für uns alle zugleich ein Kampf gegen Hitler, für Freiheit und Menschenrechte. Ich habe nie einen Anlaß gesehen, dieses Engagement zurückzunehmen. Der Interbrigadist Alfred Kantorowicz in seinem „Spanischen Tagebuch“. Köln 1966. Nach dem Ungarn-Aufstand 1956 bricht Kantorowicz, der als Professor für Neueste Deutsche Literatur an der Berliner Humboldt-Universität lehrt, mit dem Kommunismus sowjetischer Prägung und siedelt in die Bundesrepublik über.
 
DDR-Briefmarke von 1986. „50. Jahrestag der Formierung der Internationalen Brigaden in Spanien“

 

 

Stationen des Bürgerkrieges - Relief von Siegfried Krepp

Im Frühjahr 1971 wird eine zweite Reliefplatte an der Stele neben der Spanienkämpferfigur angebracht. Siegfried Krepp, der Meisterschüler von Fritz Cremer, ergänzt sein Werk um weitere Szenen aus dem Bürgerkrieg. Bei der Montage wird die Stele gleichzeitig gedreht - die neuen Motive zeigen zur mehr beachteten Straßenseite.

 
 

Siegfried Krepp hat ein Stationendrama des Kampfes um die spanische Republik geschaffen. Dabei erzählt er die Ereignisse nicht in ihrer Zeitabfolge. Ungleichzeitiges wird verbunden, Chronologien werden vermischt.

Das Ursprüngliche Relief, jetzt auf der Parkseite, zeigt:
[Mitte] Die Kräfte der Volksfront sammeln sich zur Verteidigung der Republik; die Passionaria, Dolores Ibárruri spricht; das Volk bewaffnet sich. [Links oben] Die Legion Condor bombardiert spanische Städte [Mitte oben] Internationale Solidarität. [Rechts oben] Im französischen Internierungslager nach der Flucht.
Das ergänzte Relief auf der Straßenseite zeigt: [Mitte oben] Madrid von einem mittelalterlichem Spruchband umschlungen, davor die Verteidiger der Stadt. [Rechts oben] Flüchtlingsstrom nach Frankreich. [Unten Links] Faschistischer Terror; Massenerschießungen von Republikanern. Massierte militärische Überlegenheit der Faschisten. [Unten rechts] Tagung des Nicht-Interventionsausschusses; die Reetablierung des Finanzkapitals.
Nicht alle Szenen lassen sich eindeutig zuordnen, einige Sequenzen lassen mehrere Interpretationen zu.

Bei seiner Gestaltung durchbricht der Künstler nicht nur die Zeitabfolge der Ereignisse. Auch Perspektiven und Betrachtungsabstände sind in seinem Werk verschoben. Die Flugzeuge, aus einer weit entfernten Draufsicht gezeigt, wirken wie Drahtverhaue. Madrid präsentiert sich hoch oben als erhabene Stadtsilouette. Davor die Menschen, übergroß im Verhältnis zur Architektur. Bei der Darstellung einer Rede von Dolores Ibárruri übernimmt Krepp die Untersicht einer bekannten Fotografie. Die wogende Menge der Zuhörer drumherum zeigt er aus aufsichtigeren Perspektiven.

 

 
Kommunisten, Sozialisten, Anarchisten, Republikaner, Männer verschiedener Hautfarbe, verschiedener Ideologien und gegensätzlicher Religionen, die aber alle innig die Freiheit und Gerechtigkeit lieben, kamen hierher, um sich bedingungslos anzuschließen. Sie gaben uns alles, ihre Jugend oder Reife, ihr Wissen und ihre Erfahrungen, ihr Blut und ihr Leben, ihre Hoffnungen und Wünsche - und von uns verlangten sie nichts. Das heißt doch, sie wollten einen Platz im Kampfe, sie wünschten sich die Ehre, für uns zu sterben. Rede von Dolores Ibárruri bei der Verabschiedung der internationalen Brigaden in Barcelona am 28. Oktober 1938. Der internationale Nicht-Interventionsausschuss hatte den Abzug aller ausländischen Militärangehörigen aus Spanien beschlossen.
 
Zum 40. Jahrestag der DDR, kurz vor der Öffnung der Mauer, wird ein Zweitguss des Reliefs angefertigt und in Rahmen einer „Nationalen Sammlung Plastik der DDR“ in Magdeburg aufgestellt.

 

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Gedenkstätte der deutschen Interbrigadisten Mythos Spanien
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